Der migrationspädagogische Ansatz steht weniger für Patentrezepte oder Methoden. Vielmehr fokussiert er die Haltung der (pädagogischen) Fachkräfte und Multiplikator*innen und intendiert einen Perspektivwechsel: Migrationspädagogik plädiert für eine (selbst)reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen pädagogischen Praxis, den institutionellen Rahmenbedingungen (in Jugendeinrichtungen, Beratungsstellen, Schulen …) und den gesellschaftlichen Strukturen (z. B. Gesetze, Normen, Wissensbestände …).
Migrationspädagogische Fragestellungen lauten beispielsweise:
- Wissen wir ausreichend über Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen Bescheid?
- Sind wir ausreichend differenz- und diskriminierungssensibel? Wissen wir, wann Differenzen angesprochen werden müssen, damit auch Diskriminierungen zum Thema gemacht werden können, und wann Differenzen irrelevant sind?
- Wissen wir um die Verwobenheit von individuellem, institutionellem und strukturellem Rassismus?
- Berücksichtigen und anerkennen wir in unserer Einrichtung und in unserer pädagogischen Arbeit die Mehrfachzugehörigkeit der Jugendlichen/Einrichtungsbesucher*innen?
- Gibt es in der Einrichtung Angebote, um angstfrei über Diskriminierungserfahrungen sprechen zu können?
- Überwinden wir die Aufteilung in ‚Dazugehörig‘ und ‚Nicht-Dazugehörig‘ und die mit dieser Unterscheidung einhergehenden positiven bzw. negativen Zuschreibungen?
- Welche Sprachen werden in der Einrichtung gesprochen, welche Feste werden gefeiert?
- Sind wir uns der bestehenden Machtgefüge, Privilegien und Hierarchien in der Einrichtung bewusst? Wer leitet die Einrichtung, wer putzt?
- Spiegelt die Zusammensetzung der Mitarbeiter*innen die der Jugendlichen/Erwachsenen, die unsere Einrichtung aufsuchen, wider? Wenn nicht, wie können wir dies ändern?
Diese und weitere Fragen stehen neben weitergehenden Informationen über verschiedene Diskriminierungsformen, Differenzlinien und Migration im Fokus meiner Bildungs- und Beratungsarbeit.
Mehr:
Anne Broden (2019): Vamos! Grundlagen, Herausforderungen und Spannungsverhältnisse einer migrationssensiblen und rassismuskritischen Sozialen Arbeit, in: Landesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit NRW e. V. (Hg.): Nicht von jetzt auf gleich?! Wie können Teams Haltung entwickeln? Handlungsleitende Prinzipien und Empfehlungen für Einrichtungen, die sich rassismuskritisch reflektieren möchten, Köln, S. 60-64, online unter: http://www.jugendsozialarbeit.info/jsa/lagkjsnrw/web.nsf/gfx/med_aida-bfgdmz_67d34/$file/Leitfaden_Rassismuskritik.pdf
Anne Broden (2019): Methodisch/didaktische Überlegungen zu einer einer migrationssensiblen und rassismuskritischen Sozialen Arbeit, in: ebd., S. 117-122, online unter: http://www.jugendsozialarbeit.info/jsa/lagkjsnrw/web.nsf/gfx/med_aida-bfgdmz_67d34/$file/Leitfaden_Rassismuskritik.pdf
Anne Broden (2015): Edelsteine und Stolpersteine einer rassismuskritischen Bildungsarbeit, in: Rolf Knieper/Elisaveta Khan (Hg.): Projekt DIMENSIONEN. Der NSU und seine Auswirkungen auf die Migrationsgesellschaft. Ein Methodenreader für Multiplikator*innen in der Jugend- und Bildungsarbeit, Düsseldorf: Eigenverlag, S. 14-20, online unter: https://www.idaev.de/fileadmin/user_upload/pdf/publikationen/Reader/2015_IDA_Methoden-Reader_Projekt_Dimensionen.pdf